Im Rahmen der Hauptversammlung der Aluminiumwerk Unna AG am 21.08.2024 in Unna wurde aus dem Kreis der Aktionäre der Wunsch geäußert, neben dem bereits auf alunnatubes.com veröffentlichten Jahresabschluss der Gesellschaft nebst dem vollständigen Lagebericht für das Jahr 2023, auch die aktuelle Rede des Vorstands der Aluminiumwerk Unna AG auf der Hauptversammlung inklusive der aktuellen Einschätzung zur wirtschaftlichen Entwicklung öffentlich zugänglich zu machen. Diesem Wunsch kommen wir hiermit gerne nach.
Bericht des Vorstands Volker Findeisen anlässlich der Hauptversammlung der Aluminiumwerk Unna AG am 21.8.2024
„Kein Aufschwung in Sicht“ und „die Deutsche Wirtschaft schrumpft weiter“ titelte der Springer Verlag in seinem Vorzeigeblättchen am 30.07. 2024 und bezog sich dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die nach einem BIP Schrumpfen in 2023 um 0,3 % auch für das zweite Quartal 2024 nur ein Minuszeichen in der BIP-Entwicklung, vor dem – wenn auch leichten – weiteren Schrumpfen, sieht.
Der US amerikanische Wirtschaftsdienst Bloomberg benannte am 29.07.2024 mit Blick auf die deutsche Wirtschaftsentwicklung unser Land als „Deutschland wird zum Ballast Europas“. Und aller Orten wird ausgelöst zum zweiten Mal nach 1999 der britische Economist auch 2023 einmal mehr mit den Worten zitiert: „Deutschland ist wieder der kranke Mann Europas“. 1999 konnte man diese Schwäche noch dem Vereinigungsschock zuschreiben und der dadurch bedingten hohen Arbeitslosigkeit. Und wenn dann noch der Mailänder Corriere della Sera Anfang August diesen Jahres sich genötigt fühlt, einen Leitartikel über den Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft zu verfassen, macht man sich schon einige Gedanken über die Zukunft des ehemals so stolzen und starken Flaggschiffs der europäischen Wirtschaft. Fehlt nur noch, dass auch die griechischen Medien in diesem Kontext sich noch entscheiden über das deutsche Desaster zu berichten.
Für die Entwicklung seit Übernahme der Ampelregierung gibt es allerdings keine Ausreden mehr. Diese Krise ist komplett Haus gemacht. Das starke zweite Jahrzehnt mit der Rettung der europäischen Währungsunion hat unsere Volkswirtschaft behäbig und langsam gemacht. Wir streiten nur noch um das Vermächtnis vergangener erfolgreicher Generationen. Einigkeit und Aufbruch sowie den unbedingten Willen zum Wachstum und Erfolg findet man in der Gesellschaft wie in der Politik nur noch im „ich will mehr Geld“ … „am liebsten das Geld anderer Leute“. Bürokratiemonster und grüner „am deutschen Wesen soll die Welt …“ Klimaschutzwahnsinn zwingt die Industrie in die Knie. Und die rot grüne Lobby aus Klimaneurotikern und Retro-Sozialisten feiern jede Werksschließung der Industrie mit der Feststellung, dass ja jetzt wieder CO2 eingespart wird.
Unsere Aluminium Industrie ist 2023 dramatisch geschrumpft – insbesondere die Erstherstellung unseres auch für den European Green Deal essentiellen Metalls hat sich binnen kurzer Zeit mehr als halbiert. Ehemals stolze Flaggschiffe unserer Industrie wie das Rheinwerk in Neuss sind still gelegt worden, andere haben ihre Kapazitäten dauerhaft reduziert. Im Strangpressbereich, dem wir zugeordnet sind, gehen die in Deutschland selbst hergestellten Mengen jedes Jahr kontinuierlich zurück zu Gunsten Türkischer und südeuropäischer Importe. Auch im Aluminiumwerk Unna ist der Anteil der Lieferungen an deutsche Kunden von mehr als 60% Mitte der Neunziger auf deutlich unter dreißig Prozent in 2023 – Tendenz weiter abnehmend – gefallen. Getragen wird unser Geschäft von Lieferungen nach Nordamerika sowie ins europäische Ausland und mit zunehmender Tendenz auch in Drittländer wie Thailand, Japan, Mexico, Argentinien und andere.
Für uns heißt das, das wir konsequent unsere Standortnachteile wie Bürokratie, Energiekosten und keine bzw. nur noch marode Infrastruktur in unseren Abnehmermärkten preislich umsetzen müssen; diese kennen eine derartige Ballung von Nachteilen nicht und tun sich deshalb mit unseren Argumenten für Preisanpassungen zunehmend schwer. Wir müssen sehr viel mehr erklären, warum Deutschland sich gerade ohne Not selbst deindustrialisiert. Bei unseren internationalen Kunden sind wir als deutsche Wirtschaft ohnehin das Gespött der globalen Wirtschaftswelt.
Seit dem 01. September 2022 verhalten wir uns als Aluminiumwerk Unna AG in Abkehr unseres bis dato langjährigen Verhaltens wie ein Versorger. Dort gibt es quasi keine Preisgespräche mehr – die Versorger in Netze, Energie, Rohstoffe und Vormaterialien senden uns Preisbescheide, bei denen wir faktisch keine Wahl mehr haben, wenn wir weiterhin unsere Stammkunden vertragstreu bedienen wollen. Wir werden seit geraumer Zeit preislich von den Versorgern ausgepresst; insbesondere öffentliche Versorger tun sich dabei hervor und wir machen jetzt Not gedrungen Ähnliches mit unseren Kunden. Steigende Preise für Strom, Gas, Netze, Transport, Klimaschutz und ESG Aufwand werden den Kunden weiter berechnet. Und darin liegt die Gefahr, dass – wie bereits in einigen wenigen Fällen geschehen – unsere Kunden sich neue oder zumindest Zweitlieferanten suchen und unser Geschäft dauerhaft schrumpft.
Gerade der Aufwand zur Erfüllung der Dokumentationspflichten gemäß der Pflicht-ESG-Berichterstattung wird heute noch von vielen mittelständischen Unternehmen unterschätzt. Für unser Unternehmen wird eine fünfstellige Anzahl an Daten dokumentationspflichtig. Das kostet nicht nur mindestens zwei weitere Planstellen sondern vor allem einen gehörigen Investitionsaufwand zur Implementierung der dazu notwendigen Messtechnik mitsamt IT. Diese Mittel stehen dann Natur gemäß für die originäre Geschäftsentwicklung nicht mehr zur Verfügung.
Nachdem wir bereits im September 2022 mit der Pressenlinie P106 eine Strangpresse abgestellt und verschrottet haben, werden wir auch im Dezember diesen Jahres mit der Pressenlinie P108 eine weitere Strangpresse still legen, demontieren und verschrotten. Die Zeiten, in denen wir 12.000 Tonnen und mehr produziert haben dürften damit erst einmal vorbei sein.
Das Jahr 2023 hat für uns als Spätzykliker wieder einmal unseren Charakter als Nischenanbieter, der sich dann doch ein Stück weit den globalen wirtschaftspolitischen Strömungen entziehen kann, bestätigt. Unsere neuen Fahrzeugprojekte in den USA und Mexico in Kombination mit noch starker Nachfrage aus der Luftfahrtindustrie hat uns eine auskömmliche Menge und einen hoch Wert schöpfenden Produktmix ermöglicht. Unsere KollegInnen in Produktionsplanung, Instandhaltung und der Fertigung haben zudem herausragende Fortschritte in der Produktivität ermöglicht.
Nach zwischenzeitlich wieder mehr als fünf Jahren, die wir in der jetzigen Konstellation im Management Team zusammenarbeiten, wirken sich die verschiedenen Projekte der letzten Jahre vorteilhaft aus. Neben den wichtigen Investitionen in den zweiten vertikalen Turmvergütungsofen und wieder neuer Hallenkapazität sowie einer automatischen Sägelinie für Antriebsrohre, sind es vor allem die organisatorischen und logistischen Verbesserungen an etlichen Anlagen, welche sofort nach Erprobung auf den gesamten Auftragsbestand geprüft und ausgerollt werden. Dazu gehören unter anderem die Bolzenverlängerung an der großen 50 MN Presse, die Senkung der Bolzentemperaturen für einige Legierungen sowie die Generalüberholung der Entfettungsanlage. Viele logistische Optimierungen ersparen zudem Warte- und Rüstzeiten. Die Kommunikation zwischen den Bereichen ist nunmehr ausgesprochen ausgeprägt und gut. Aus Sicht der Verwaltungsspitze hat das jetzige Managementteam gemeinsam mit der Belegschaft herausragende Arbeit geleistet und steht zum Glück in der jetzigen Form fast vollständig auch noch für die nächsten Jahre zur Verfügung. An den Positionen, wo sich Nachwuchsregelungen abzeichnen, werden die zukünftigen Mitglieder des Management Teams umfassend geschult und jetzt schon mit Führungsaufgaben betraut. Damit ist dann ein reibungsloser Übergang bei Altersnachfolgen gewährleistet.
Im Endergebnis konnten wir unseren Umsatz noch einmal um 8 % steigern auf Grund im Wesentlichen höherer Durchschnittspreise Produktmix bedingt und konnten damit ein Ergebnis nach Steuern in Höhe von 13,947 Mio. €uro abliefern. Die Verwaltung bedankt sich bei den Mitarbeitenden für diese herausragende Leistung 2023. Umfassender Dank gilt insbesondere den KollegInnen in Arbeits- und Produktionsplanung sowie den Mitgliedern des Management Teams, die – gemeinsam mit Bereichsleitern und Vorarbeitern – allesamt herausragende Arbeit abgeliefert haben.
Auch in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres stellt sich die Lage noch als stabil dar. Auf der Umsatzseite sehen wir noch keine größeren Einbußen und das Nettoergebnis liegt sogar leicht über dem Niveau der ersten sieben Monate des Jahres 2023. Bedingt durch die schwache Inlandsnachfrage aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau sowie dem Erreichen der vollen Sicherheitsmengen für unsere amerikanischen Automobilprojekte in Verbindung mit schwacher Nachfrage aus dem Luftfahrtsektor – und hier muss man anmerken, dass Boeing aktuell weniger als die Hälfte der geplanten Flugzeuge der Baureihe 737 bauen darf und Airbus als weiterer nicht ganz unbedeutender OEM nicht annähernd seine Planzahlen erreicht – können wir seit Juli unser Werk nicht mehr voll auslasten. Einzelne Anlagen stehen Wochenweise still und die Auslastung liegt für die Monate August bis Oktober bei nur 53 % gemessen in Tonnen und 63 % gemessen in Wertschöpfung – jeweils gerechnet gegen unser Jahresbudget. Wir müssen davon ausgehen, dass das vierte Quartal extrem schwierig wird. Aktuell sind wir noch in der Planung, über den Jahreswechsel hinweg zwei zusätzliche Wochen Werksferien zu absolvieren, um dem Mangel an Auslastung zu entgegnen.
Aus vorgenannten Gründen ist eine Einschätzung unserer betriebswirtschaftlichen Resultate für das Jahr 2024 und darüber hinaus unmöglich. Hoffnung gibt nur, dass diese merkwürdige Koalition aus Sozialromantikern und Klimafetischisten in Berlin schnellst möglich scheitert und eine neue starke Truppe von Realpolitikern das Heft des Handelns in die Hand nimmt und dieses unser Heimatland vor dem Abstieg in die wirtschaftliche Drittklassigkeit bewahrt.
Als kleines Bonmot vielleicht für diejenigen, die hier in Unna lokal unterwegs sind. Die beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuer für das Jahr 2025 auf 595 v.H. Hebesatz führt dann später, wenn wir wieder Dividenden auskehren können, zu einer Gesamtbesteuerung auszukehrender Gewinne in Höhe von annähernd 54 %. Wohl dem, der dann noch als Eigenkapitalgeber den Unternehmen zur Seite steht.
Doch da wo viel politischer Schatten ist sehen wir als Aluminiumwerk Unna AG auch Licht. Wir sind fest davon überzeugt, dass der eingelegte Weg der kontinuierlichen Steigerung der Produktivität auch für die nächsten Jahre noch Ergebnis stützend wirken wird und das zukünftige Management Team die richtige Balance und die notwendigen Fähigkeiten hat, gemeinsam die erfolgreiche Entwicklung der Aluminiumwerk Unna AG voran zu treiben. Die deutlich verbesserte Eigenkapitalsituation, die geringe Fremdkapitalquote und damit auch eine solide Liquidität wirken stützend auf das laufende Ergebnis und die Finanzierbarkeit zukünftiger Projekte zur Steigerung der Qualität und Produktivität sowie der Verfügbarkeit der Anlagen. Auf der Marktseite sehen wir regional in unserem größten Markt Nordamerika weitere Wachstumschancen insbesondere auf Grund unserer herausragenden Produkt- und Dienstleistungsqualität. Bei den Abnehmerbranchen sehen wir insbesondere in der Verteidigungsindustrie weiteres Potential, neue Produktlinien für uns erreichbar zu machen und bekannte Produkte in höheren Mengen abzusetzen. Wir gehen aktuell in der Marktentwicklung eher von einer Delle aus denn von einer anhaltenden Marktschwäche. Alle Kraft voraus!
Volker Findeisen